Am 3. Oktober 1990 erfolgte die offizielle Wiedervereinigung Deutschlands, möglich geworden durch die friedlichen Revolution mutiger DDR-Bürger, die am 9. November 1989 zur Öffnung der Berliner Mauer führte. Vieles ist inzwischen selbstverständlich geworden, doch wie ist das mit dem gegenseitigen Verständnis zwischen den Menschen im Osten und Westen Deutschlands?
Mit dieser kleinen Reihe wollen wir dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis zu fördern und durch verschiedene Veranstaltungen Einblicke in das Leben vor, während und nach der Wende zu geben.
Bleiben oder gehen – Wege aus der DDR
„Bleiben oder gehen“ – das war für viele Menschen östlich der deutsch-deutschen Grenze bis 1989 eine zentrale Frage. „Wege aus der DDR“ endeten nicht selten mit einem Mord im Todesstreifen oder aber hinter weiteren Mauern, zum Beispiel im Zuchthaus Hoheneck im Erzgebirge. An solch ein bitteres Ende von Auflehnung und missglückter Republikflucht erinnert der Frankfurter Autor Wolfgang Mondorf in seinem Roman „Und am Ende die Wende“. Anhand kunstvoll verwobener Biografien erzählt er vom Leben und Scheitern einer jungen Generation während der letzten Jahre der SED-Diktatur. „Wege aus der DDR“ in einem Spannungsfeld von Anpassung und Resignation – das konnte auch Rückzug ins Private bedeuten oder aber die innere Emigration. Oder, Ende der 1980er Jahre im Schutz der Institution Kirche, die Arbeit in Friedensgruppen und Umweltbibliotheken. Gleichzeitig propagierte die Kirche der DDR mit dem moralisierenden Slogan „Wir bleiben hier“ ein Durchhalten um jeden Preis als Qualität an sich und diffamierte damit alle, die die Lügen von einem Sozialismus mit menschlichem Antlitz nicht mehr teilen wollten. Wer die Frage „Bleiben oder Gehen“ mit einem Antrag auf legale Ausreise beantwortete, saß zwischen allen Stühlen – so wie „Das Mittagskind“ der Frankfurter Journalistin und Autorin Karen Allihn. In ihrem Roman-Manuskript schildert sie autofiktional den Lebensweg einer einst angepassten Schülerin an den Rand der Gesellschaft: jahrelange Arbeitslosigkeit, ein Leben auf Abruf und ein endgültiger Abschied.
Moderation: Ansgar Kemman, Geschäftsführer, Bürgerverein Demokratieort Paulskirche e.V.